Regierungsrat Lareida während seiner Rede am Festanlass zu «100 Jahre Landwirtschaftliche Berufsbildung im Aargau» am 14. November 1987. Bilder: Bauernverband Aargau.

1987: Regierungsrat Kurt Lareida zur Identität des Aargaus

Von Patrick Zehnder, Co-Projektleiter und Autor

 

FdP-Regierungsrat Kurt Lareida (1923–1998)* umriss das Aargauer Selbstverständnis, als er in seiner Funktion als Landstatthalter am 14. November 1987 zum Jubiläumsanlass «100 Jahre landwirtschaftliche Berufsbildung im Kanton Aargau» auf Schloss Lenzburg begrüsste:

 

«Das Schloss Lenzburg liegt nahe der geographischen Mitte des Aargaus und ist eines der bedeutenden Zentren europäischer Geschichte. Die historische Bedeutung dieses Kerngebietes im schweizerischen Mittelland, das der Aargau darstellt, erhellt aus den Namen Vindonissa, Königsfelden, Augusta Raurica, Habsburg. Mit der Gegenwart haben diese Kristallisationspunkte europäischer Kultur allerdings wenig zu tun. Die Geschichte des Kantons als eidgenössischer Stand beginnt ja erst 1803 und ist demnach etwas mehr als 180 Jahre alt. In dieser Zeit – und vor allem in den letzten 20 bis 30 Jahren – hat der Aargau, der während vielen Jahren unter der Heterogenität, d.h. seiner willkürlichen Zusammensetzung aus vier historisch völlig unterschiedlich gewachsenen Regionen und deshalb an mangelndem Staatsbewusstsein litt, zu einer Einheit gefunden und er hat sich von einem armen Agrarkanton, in welchem bei der Kantonsgründung mehr als 75 Prozent der Bevölkerung von und in der Landwirtschaft lebte, zu einem der bedeutendsten Industriekantone der Schweiz entwickelt und in dieser Zeit die Bevölkerungszahl rund vervierfacht. Die Chance also, die ihm die Kantonsgründer gaben – sie taten dies, um zwischen die starken Stände von Zürich und Bern einen kräftigen Puffer zu legen – hat ihnen demnach recht gegeben. Anderseits hat der Aargau die Chance genutzt, entwickelte sich im schweizerischen Vergleich überdurchschnittlich und tat sich schon bald durch sein vorbildliches Schulwesen auch international hervor. In den letzten Jahrzehnten entwickelte er ein hervorragendes Gesundheitswesen und baute die übrige Infrastruktur modern aus. Pionierleistungen erbrachten wir in unserem Kanton auch auf dem Gebiete des Gewässerschutzes, und eine den Wasserreichtum schon früh ausschöpfende Energiepolitik führte zur heutigen Spitzenstellung in der Produktion von Elektrizität.

Obschon einige der Randgebiete, man denke etwa an das Fricktal und das Limmattal, in den letzten Jahren vermehrt in den Sog der grossen Agglomerationen von Basel und Zürich geraten sind, hat der Kanton seine Eigenständigkeit zu bewahren gewusst.»

 

*Der freisinnige Kurt Lareida (1923–1998) gehörte der Aargauer Regierung von 1976 bis 1991 an und leitete während seiner ganzen Regierungszeit das Finanzdepartement. Vor seiner politischen Kariere studierte der Aarauer Bürger an der Universität Zürich Volkswirtschaft (Promotion) und leitete das Aargauer Tagblatt als Chefredaktor von 1969 bis 1976. Lareida gehörte dem Grossen Rat von 1961 bis 1976 an.